2023 Video Steinhude

Ausgerichtet vom Yachtclub Steinhuder Meer fand am 01. und 02.04.2023 der alljährliche, für A-Cat, Dart18, Topcat sowie Hobie 14 und 16 ausgeschriebene Saisonauftakt statt. Unsere Bootsklasse war mit sechs Schiffen und elf Crewmitgliedern vertreten, einschließlich Teamleitung/Motivationscoach (Gabi) sowie eines vollkommenen Regatta-Rookies, nämlich mir.

Wer wie ich in der Nähe der Müritz wohnt (slaw.: „Kleines Meer“), dem mag die Verwendung des Begriffes „Meer“ für dieses – nun ja, Gewässer, eventuell etwas großsprecherisch erscheinen. Überall heißt es auf den Straßenschildern „Zum Meer“, Gedanken an Grönemeyer 2002 kommen auf, und wenn man dann – wie ich – zum ersten Mal am Ufer steht, denkt man: Ok, auch schön, dieser See. Aber: Das Ding hatte es in sich und sollte in den kommenden zwei Tagen Rennleitung und Teilnehmerfeld vor einige Herausforderungen stellen.

Die erste Wettfahrt am Samstag begann als Schwachwindwettbewerb. Die Regattaleitung hatte offensichtlich mit mehr gerechnet (oder mit besseren = schnelleren Seglern) und die Tonnen gefühlt jeweils am einen und anderen See-Ende platziert. Die A-Cats (O-Ton Robert: Boote für oberbayerische Verhältnisse) cruisten bei durchschnittlich fünf Knoten Windgeschwindigkeit ansehnlich herum, und alle anderen gaben sich Mühe, überhaupt vorwärts zu kommen. Die Sache zog sich. Nach dem ersten Rennen kam es zu einer längeren Wartepause, da der Bahnkurs verkürzt wurde.

Nun war es aber auch dem Wind zu langweilig geworden, und er hatte unmittelbar vor Beginn der zweiten Wettfahrt gedreht. Familie Bleisch hatte dies pfadfindergleich durch eine „Kontrolle der Startlinie“ (sowas soll es geben, habe ich mir sagen lassen) ausgekundschaftet und zeigte dies auch an, da sie offenkundig beabsichtigten, mit Backbordwind zu starten. Wir anderen griffen dieses freundliche Signal jedoch nicht auf und stellten fest, dass es so seine Schwierigkeiten macht, wenn in Steuerbordposition der Wind an der Linie direkt vorlich einfällt. Bleisch’s waren auf Nimmerwiedersehen verschwunden, wir anderen bewältigten den Kurs mit Anstand und Würde in ruhigem Tempo (weiterhin war wenig Wind).

Die Veränderung der Verhältnisse gab der Rennleitung dann abermals Anlass zu größeren Korrekturen der Bahnpositionierung. Das dauerte. Mittlerweile ging über dem Regattafeld ein monsunartiger Regen nieder, der uns für das entschädigte, was beim frischen Katamaransegeln an Feuchtigkeit normalerweise von unten kommt. Yogaeinlagen und lustiges Plaudern von Boot zu Boot halfen uns, über das einsetzende Frösteln hinwegzukommen. Als dann die dritte Wettfahrt gestartet wurde, war der Regen abgezogen, dafür aber der Wind recht plötzlich und in ziemlicher Größenordnung da. Es herrschen wohl durchgängig 20 Knoten, teils mehr. Das Fahrerfeld war in Aufruhr; die einschläfernden ersten Wettfahrten nebst langen Pausen hatten ihre Wirkung gehabt und auf dem nun doch recht knappen Bahnkurs tummelten sich insgesamt über 30 Schiffe in Maximaltempo. Bernd touchierte die Luvtonne, und nach Freifahren und Strafkringel abseits der Hauptwegstrecke hämmerte ihm ein Topcat, dessen Besatzung gerade volles Tuch gesetzt hatte und offensichtlich hinter den drei Segeln nichts mehr sah, mit voller Geschwindigkeit in den Steuerbordschwimmer. Für mich war es wie im Fernsehen; ich dachte, einen solchen Aufprall mit glattem Durchstoßen des Rumpfes (!) gibt es nur bei Netflix. 

Angesichts der herausfordernden Verhältnisse mussten Robert und ich uns auf unsere eigene Weiterfahrt konzentrieren und die Rettung der Schiffbrüchigen dem motorisierten Begleitpersonal überlassen. Wir segelten sodann gefühlt weltmeisterlich, vergaßen in der Aufregung aber, wie man richtig bis drei zählt und überquerten bereits nach zwei Runden mit stolzem Gesicht die Ziellinie. DNF heißt das im Fachjargon, wie ich nun gelernt habe.

Bernds Schiff war unterdessen halb gesunken und konnte nicht aus eigener Kraft heimkehren. Ein Team aus unentwegten Crewmitgliedern bestieg das Bergeboot und holte in einer aufreibend kalten Aktion das schwer angeschlagene Gefährt nach Hause. Bernd, ganz Hanseat und Zigarre schmauchend, nahm die Sache mit der Größe eines Seglers, der (außer Cap Hoorn vielleicht) schon alles gesehen hat.

Das Frühstück am Folgetag wurde umrahmt von peniblem Ausfüllen des Protest- und Schadensprotokolls einschließlich Lageskizze (die Situation hatte etwas von Segelschule), was im Anschluss an die Regatta immerhin dazu führte, dass die Rennleitung ein Verschulden des Topcat-Katamarans feststellte. Der Wind hatte sich zwischen 15 und 20 Knoten eingependelt, so dass die beiden letzten Wettfahrten frisch und weitgehend reibungslos durchgeführt werden konnten. Später kam noch die Sonne heraus, und es zeigten sich die großartigen Bilder eines Regattafeldes, die man nur vom Wasser aus zu sehen bekommt und die mich schon beim Eissegeln in Scharbeutz so fasziniert hatten.

Es gewann – richtig, Familie Bleisch (Kommentar des Rennleiters: „Nicht schon wieder“), gefolgt von Reinout. Glückwunsch an die Sieger und die Platzierten! Vielen Dank, dass ich dabei sein durfte und so überaus freundlich aufgenommen wurde. Vielen Dank vor allem an Robert, der mich im letzten Jahr an diese Bootsklasse herangeführt und mit so vielen netten Menschen bekannt gemacht hat. Tolles Boot, tolle Leute. Bis zum nächsten Mal.
Alexander von Drenkmann

Wiesenaue/Havelland

PS/Randnotiz: Unter den schon angesprochenen A-Catseglern befand sich ein junger, äußerst bescheiden auftretender Mann, der mit einem schönen Boot aus den frühen Neunzigern gegen die gesamte foilende Highend-Carbonkonkurrenz antrat und – Dritter wurde. Für mich ein weiteres Argument dafür, dass die schnörkellose Klassik unseres Schiffes nichts von ihrer seglerischen Berechtigung verloren hat.